Eine Info vom Flüchtlingsrat SH:

Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht wird ein zentrales flüchtlingspolitisches Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt. Für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen war und ist es ein erklärtes Ziel, die entwürdigenden Kettenduldungen endlich abzuschaffen. Über 200.000 Menschen leben aktuell in Deutschland mit einer prekären Duldung, haben damit bisher keine feste Aufenthaltsperspektive. In vielen Fällen droht jederzeit die Abschiebung. Circa 130.000 von ihnen halten sich bereits seit fünf Jahren oder länger in Deutschland auf und können somit jetzt vom Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren. Es ist gut, dass langjährig geduldete Menschen nun eine aufenthaltsrechtliche Perspektive erhalten und eine Chance eingeräumt bekommen, die notwendigen Voraussetzungen zu erlangen. Denn nur wenige von ihnen hatten bisher bspw. eine Arbeitserlaubnis (etwa 25% der erwerbsfähigen Geduldeten) noch den Anspruch auf einen Integrations- oder Sprachkurs. Um zu einer pragmatischen Lösung zu kommen, braucht es die Verknüpfung von Aufenthaltssicherheit mit Identitätsklärung und Beschäftigungsperspektive. Denn bisherige Bleiberechtsregelungen sind ins Leere gelaufen. Endlich sollen Geduldete, die jahrelang Angst vor einer Abschiebung hatten, die Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Wir leiten damit den Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik ein: Menschen, die seit fünf Jahren geduldet oder gestattet in Deutschland leben, erhalten für zunächst ein Jahr das Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG-E). Während dieser Zeit soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. 

 

Mit dem Gesetzentwurf zum Chancenaufenthaltsrecht werden aber auch bereits bestehende Bleiberechtsregelungen (§§ 25a, b AufenthG-E) im Aufenthaltsrecht ausgeweitet. So werden die Voraufenthaltszeit für gut integrierte Jugendliche auf 3 Jahre verkürzt werden und bis zum 27. Lebensjahr angewendet. Erwachsene werden schon nach 6 bzw. 4 Jahren bei Familien ein Bleiberecht erhalten können.

 

Für Asylsuchende soll der Integrationskurs und der Berufssprachkurs künftig grundsätzlich zugänglich sein, unabhängig vom Herkunftsland oder Einreisedatum der betroffenen Personen. Damit wird die Vorgabe des Koalitionsvertrages in einem ersten Schritt umgesetzt, für eine möglichst rasche Integration allen Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse anzubieten.

Es gibt erste Erleichterungen beim Familiennachzug: Bei Ehegatten und Kindern von Fachkräften ab dem 16. Lebensjahr soll zukünftig vom Erfordernis deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise abgesehen werden. Diese Erleichterung beim Familiennachzug von Fachkräften ist begrüßenswert. Deutsch lernt man am besten in einer deutschsprachigen Umgebung. Die bisherige Regelung bedeutete für Familien oft unnötig lange Trennungszeiten, wenn Deutschkurse für die Betroffenen zum Beispiel nur schwer erreichbar waren oder durch widrige Umstände der Deutsch-Test nicht bestanden werden konnte.

Der Koalitionsvertrag sieht auch eine Rückführungsoffensive vor, insbesondere hinsichtlich der Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Im nun von Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf ist bei der Beendigung des Aufenthalts von Straftätern und Gefährdern eine Änderung der Regelung über deren Ausweisung und Inabschiebungshaftnahme vorgesehen.

Mit dem beschlossenen Gesetzentwurf wird zunächst nur ein kleiner Teil der migrations-integrations- und flüchtlingspolitischen Vorhaben des Koalitionsvertrages umgesetzt. Weitere wichtige Vorhaben – wie z.B. die Arbeitskräfteeinwanderung, die Gleichstellung des Familiennachzugs von subsidiär Geschützten mit anerkannten Flüchtlingen und die Regelung des Geschwisternachzuges sowie die Streichung von Arbeitsverboten, die Abschaffung der Duldung light und die Einführung der Versicherung an Eides statt – sollen laut Planung des Bundesinnenministeriums im Herbst dieses Jahres in einem weiteren Gesetzespaket eingebracht werden.

Weitere Infos:

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/chancen-aufenthaltsrecht.html;jsessionid=10942895A3463209E26D4838BF501834.1_cid364

https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/chancen-aufenthaltsrecht-eroeffnet-perspek-tiven-und-nutzt-potentiale

https://www.gruene-bundestag.de/themen/integration-migration-flucht/perspektive-fuer-geduldete

https://twitter.com/GrueneBundestag/status/1544638767771918336
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Zahlen und Fakten zum Chancen-Aufenthaltsrecht im Anhang

CAR Zahlen und Fakten [Stand 12.07.22]