Presseerklärung vom FRSH

https://www.frsh.de/artikel/fluechtlingsrat-begruesst-kieler-initiative-zur-aufnahme-verletzter-kinder-aus-gaza

Flüchtlingsrat begrüßt Kieler Initiative zur Aufnahme verletzter Kinder aus Gaza

– und verurteilt die Verweigerung des Bundes als „monströse Empathielosigkeit“

 Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt die Entscheidung der Landeshauptstadt Kiel zur Aufnahme von verletzten Kindern aus dem Gaza-Streifen.

Schon bald nach Kriegsausbruch hatte sich der Flüchtlingsrat bei der Landesregierung wiederholt um die Aufnahme eines Kontingents verletzter Zivilist*innen aus dem Gaza-Streifen stark gemacht – und wurde unter Verweis auf die Richtlinienkompetenz des Bundesinnenministeriums jedes Mal vom Sozialministerium abgewiesen.

Bei den inzwischen zur Aufnahme bereiten Städten – neben Kiel bis dato auch Düsseldorf, Bonn, Hannover und Leipzig – melden sich aktuell zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die Kosten, Betreuung oder Pflegschaften übernehmen wollen.

„Doch der CSU-Bundesinnenminister Dobrindt hat von seiner SPD-Vorgängerin Faeser den Staffelstab im kinderfeindlichsten Wettlauf der Schäbigkeiten übernommen“, klagt Heino Schomaker vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Faeser hatte wohlwissend, dass so die betroffenen Kinder maximal sekundär traumatisiert würden, verfügt, eine Einreise verletzter Kinder sei allenfalls allein und nicht mit Begleitpersonen – nicht einmal mit älteren Geschwistern – möglich. Auch Dobrindt meint, die Sicherheitsrisiken bei Begleitpersonen wären beachtlich, hinzu käme eine unklare Rück-kehrperspektive – man befürchte also, absehbar asylschutzberechtigte Personen ins Land zu holen.

„Somit werden die Kinder im Gaza-Streifen nicht allein Opfer eines erbarmungslosen Krieges, sondern auch einer monströsen Empathielosigkeit bundesdeutscher Regierungsstellen“, klagt Schomaker: „Und sie sterben wie die Fliegen – nur schneller.

Hintergrund:

Unter den knapp 150.000 zu großen Teilen schwer Verletzten Opfern der Kriegsgewalt im Gaza-Streifen sind zwei Drittel Frauen und Kinder. Über 160 Kliniken im Gazastreifen sind zerstört, ca. 1.000 Gesundheitsarbeiter*innen wurden getötet. Es gibt in der vollständig abgeriegelten Enklave für die Zivilbevölkerung vor den flächendeckenden Bombardierungen, dem seit Monaten anhaltenden Dauerbeschuss und vor dem menschengemachten Hunger kein Entkommen.

Diese Erbarmungslosigkeit gilt auch für Verletzte – insbesondere für schwer versehrte Kinder. 25.000 Kinder müssten eigentlich zu Behandlung ins Ausland, davon 15.000 sind in akuter Überlebensnot, erklärt Mustafa Barghuthy von der Palestinian Medical Relief Society. Ägypten verweigert die Behandlung in den eigenen überlasteten Kliniken und stimmt einer Ausreise behandlungsbedürftiger Kinder aus Gaza nur zu, wenn Drittstaaten, insbesondere europäische, die Aufnahme garantieren.

Es sind Kinder, denen Schrapnelle in den Weichteilen stecken, deren Gliedmaßen zerfetzt wurden oder die im Wortsinn das Gesicht verloren haben. Viele von ihnen sind Schwerverletzte, die vor Ort infolge des systematisch zerstörten Gesundheitswesens keine der dringend benötigten, regelmäßig überlebensnotwendigen Operationen mehr bekommen können. Sie sind sämtlich nicht nur physisch lädiert, sondern darüber hinaus schwer traumatisiert und verstehen nicht was ihnen passiert – und warum. Die verletzten Kinder sind infolge unzureichender Hilfsgüter mangelernährt, was Heilung weiter erschwert. Laut WHO waren im Juli 12.000 unter Fünfjährige akut unterernährt.

Während der Bund sich ziert, sterben Kinder in Gaza, während ihnen ohne jegliche Anästhesie Arme oder Beine amputiert werden. Durch verzögert explodierende Streubomben und Landminen verlieren täglich 10 Kinder ein oder beide Beine. Neugeborene verrecken in Brutkästen vom Strom gekappter Säuglingsstationen. Bis dato werden 20.000 Kinder vermisst. Statistiken über die hunderttausenden dieses exzessive Martyrium zwar physisch unverletzt überlebenden, aber für ihr weiteres Leben substanziell vulnerabel belasteten und traumatisierten Kinder gibt es nicht. Bis dato wurden durch Gewalt gut 40.000 Kinder zu Waisen, davon über 17.000 zu Vollwaisen gemacht.

Kontakt: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., public@frsh.de