Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat bestätigt, dass auch mit einem Aufenthaltsrecht allein nach Art. 10 VO 492/2011 ein Kindergeldanspruch besteht. Dies geht aus einem Schreiben der Familienkasse NRW-Ost an das Finanzgericht Münster hervor. Eine allgemeine Information dazu sei momentan „in Vorbereitung“. Das Bundeszentralamt für Steuern ist die Aufsichtsbehörde der Familienkassen und ihnen gegenüber weisungsbefugt. Hier ist das Schreiben, das in der Argumentation gegenüber den Familienkassen hilfreich sein kann: https://www.ggua.de/fileadmin/downloads/kindergeld_und_elterngeld/Bestaetigung_BMFSt_zum_Kindergeldanspruch_ueber_VO__EU__492-2011__002_.pdf

 

Beratungsstellen berichten aus der Praxis, dass der Kindergeldanspruch in diesen Fällen bisher teilweise abgelehnt oder gar hohe Summen zurückgefordert werden, wenn nur (noch) ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 erfüllt ist. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 besteht dann, wenn ein EU-angehöriger Elternteil Arbeitnehmer*in war oder ist, und eines ihrer Kinder die Schule besucht. Dann behält nach der Rechtsprechung des EuGH dieses Kind ein Aufenthaltsrecht bis zum Abschluss der Schul- oder Berufsausbildung, auch wenn der Elternteil die Arbeit verliert – und zwar auch über sechs Monate hinaus und auch wenn die Arbeit nicht unfreiwillig verloren geht. Das Aufenthaltsrecht überträgt sich auf den oder die Elternteil(e), die die elterliche Sorge tatsächlich ausüben. Es spielt dabei keine Rolle, welche Staatsangehörigkeit das Kind und der andere Elternteil haben.

 

Dass mit Art. 10 VO 492/2011 ein Kindergeldanspruch besteht, hatte unter anderem auch das Finanzgericht Düsseldorf festgestellt (FG Düsseldorf, Urteil vom 30. November 2023; 9 K 1192/23 Kg). Der EuGH hatte bereits zuvor entschieden, dass mit diesem Aufenthaltsrecht ein Anspruch auf sozialrechtliche Gleichbehandlung besteht (gem. Art. 7 VO 492/2011 und Art. 4 VO 883/2004). Daher haben die betroffenen Familien unter anderem einen Anspruch auf Bürgergeld nach SGB II (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020; Rechtssache C‑181/19). Dass dieser Anspruch auf Gleichbehandlung auch für das Kindergeld gilt, wurde von den Familienkassen bislang oft ignoriert – zumal weder § 62 Abs. 1a EStG noch die Dienstanweisungen diese Konstellation ausdrücklich nennen. Nun hat die zuständige Aufsichtsbehörde bestätigt, dass dies aus ihrer Sicht rechtswidrig war.

 

Der Anspruch auf Kindergeld ist zunehmend umstritten, weil die damalige schwarz-rote Bundesregierung und Gesetzgeberin EU-Bürger*innen seit dem Jahr 2019 bestimmte nicht-erwerbstätige EU-Bürger*innen aus migrationspolitischen Erwägungen vom Kindergeld ausgeschlossen haben. Diese Ausschlüsse dürften jedoch mit Unionsrecht und dem Anspruch auf Gleichbehandlung unvereinbar sein. So hat der EuGH bereits entschieden, dass auch während der ersten drei Monate des Aufenthalts das Kindergeld gewährt werden muss, auch wenn der Elternteil (noch) nicht erwerbstätig ist (EuGH, Urteil vom 1. August 2022; C‑411/20). Dasselbe dürfte nach Ablauf der drei Monate für die Zeit der Arbeitsuche gelten.